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Sammeln um des Sammelns willen? - Der Versuch einer Perspektive
Über vermeintliche und echte Werte einer Star Wars - Sammlung

Vor einiger Zeit war an dieser Stelle der Bericht eines von seinem Hobby frustrierten Sammlers zu lesen, der sich die Frage stellte, ob sich das Sammeln überhaupt noch lohne. Von leeren Börsen war die Rede, vom Wertverlust der Figuren, von zu vielen Sammelobjekten und vom zurückgehenden Absatz auf dem deutschen Markt. Neue Figuren seien überteuert, alte landen zu Schleuderpreisen auf eBay, nichts ist mehr selten, und schuld daran ist nicht zuletzt Hasbro.

Vieles davon ist wahr. Aber es ist auch sehr einseitig gesehen, aus der Perspektive eines Komplettsammlers, und so möchte ich - muß ich - als Mitsammler mal dagegenhalten: In über zwanzig Jahren des Sammelns habe ich selten eine für dieses Hobby so schöne und aufregende Zeit erlebt, und ich fände es überaus schade, wenn der Rückzug der Sammler in Deutschland ausgerechnet jetzt das Aus für den deutschen Markt an sich einläuten würde.

Wie kommt es, daß ich die Dinge so anders sehe? Ich muß gestehen, ich bin kein Komplettsammler und habe diese Szene auch nie wirklich verstanden. Man sammelt um der Seltenheit willen, heißt es - um eine Sammlung zu komplettieren - um Wertsteigerungen zu erfahren.

Wenn jetzt plötzlich einige Sammler aufwachen und erkennen, daß diese drei Paradigma des Sammeln auf ihre ehemals geliebten Figuren gar nicht zutreffen, dann bin ich nicht überrascht. Ich frage mich eher: Warum sehen diese Leute das jetzt erst?

Seien wir mal ehrlich: Star Wars-Figuren sind Plastikteile, die für wenige Cent in China in Massen produziert werden. Sie sind weder in ihrem Materialwert besonders kostbar, noch sind sie selten. Und gäbe es wirklich seltene unter ihnen, so könnte man ohne weiteres eines Tages von derselben Gußform noch zehntausend weitere herstellen und den Wert nachträglich verderben. Sie sind keine Unikate, sind nicht antik, wurden nicht von verstorbenen Ausnahmekünstlern modelliert, und sie werden bis auf vielleicht wenige Ausnahmen noch nicht einmal künstlich verknappt, wie es einige Firmen mit ihren "limitierten Auflagen" gerne praktizieren.

Es sind kleine Figürchen, die auch nur zum Teil für den Sammlermarkt produziert worden sind - primär aber als Kinderspielzeug hergestellt werden.

Wer hier auf Wertsteigerung oder Vermögensanlage spekuliert, der sollte wohl lieber Gemälde, Gold, Wertpapiere, Antiquitäten oder einen Bausparvertrag in Betracht ziehen. Wer versucht, MeinHaus-MeinAuto-MeinBoot-mäßig alte Schulfreunde mit seiner umfangreichen Sammlung von Star Wars-Spielwaren zu beeindrucken oder eine Freundin mittels Zuckuss mit FreezeFrame auf grüner Karte an Land zu ziehen, benötigt einen kleinen Schubs in Richtung Realität.

Und wer auf Hasbro schimpft, weil diese an deutschen (Sammler-)Bedürfnissen vorbeiproduzieren würden, der verkennt augenscheinlich die Zielrichtung einer Spielzeugfirma. Einer Firma übrigens, die in ihrem Programm viel für Star Wars-Sammler getan hat, und der man weder die Kosten Lucas'scher Lizenzpolitik noch den Versuch, mit den Produkten Geld zu verdienen, zur Last legen sollte.

Ich habe den Verdacht, daß die Frustrationen hausgemacht sind. Das Bedürfnis, eine "komplette Sammlung" zu besitzen, scheint für zu viele Sammler zum Maß aller Dinge geworden zu sein - und ist doch höchst relativ. Ist meine Vintage-Sammlung komplett zu nennen, wenn der Blue Snaggletooth fehlt - den es so im Film eigentlich nie gab? Muß ich hinter den Ewoks- und Droids-Figuren herjagen und kataloggerechte tausend Euro für einen losen brasilianischen Vlix hinlegen, den ich ehrlich gesagt potthäßlich finde? Muß ich jede Serie jeden Stils, ob Vintage oder PotF oder Clone Wars Animated (oder womöglich noch zwölfzollige Großfiguren), in mein Regal stellen, um mich einen Sammler nennen zu dürfen?

Ich denke, nein.

Ich brauche nicht jede Variante einer Figur - weder die mißglückten He-Man-Lookalikes der Anfangszeit, noch die Super-Duper-Actionfeature-Spezial-Charaktere mit Plopp und Peng. Ich brauche keine siebenundzwanzig Darth Vaders und keine vierundneunzig Luke Skywalkers. Ich muß mir eine Figur, die ich schon habe, nicht ein zweites Mal kaufen, nur weil sie jetzt in einer anderen Verpackung herauskommt. Und erst recht benötige ich keine obszön überteuerten Sammlerstücke, die mir eigentlich gar nicht gefallen und die ich nur zur "Komplettierung" eines Sortiments haben muß.

Verstehen wir uns nicht miß: ich habe eine recht große Sammlung mit etlichen Darth Vaders und Luke Skywalkers, und ich habe nicht wenig Geld dafür ausgegeben. Darunter auch einige teurere Sachen, einige (Army Builder-) Duplikate, Expanded Universe-Charaktere, und das eine oder andere Stück, das mit seinen Spielfeatures wohl eher in die Hände eines Achtjährigen gehört... Aber ich habe sowohl im "restlichen Leben" als auch bei der Sammelei Prioritäten, und zu denen gehören weder die imaginären Werte noch die fiktive Komplettheit dieser Sammlung.

Ich begehe die Todsünde der Sammler: Ich packe aus. Ich reiße Verpackungen auf. Ich werfe Kartons weg. Ich stecke Blister in den gelben Sack.

Und dann baue ich das neue Republic Gunship zusammen, versehe es mit den Aufklebern, bestücke das Cockpit mit zwei gelbbestreiften Clonetroopern, stelle einen Klon-Commander in den Laderaum, füge einen Yoda hinzu, setze das Schiffchen mitten in eine Kampfszene von Jedi-Rittern und Föderationstruppen, und...

...freue mich daran.

Nicht an dem Wert, den die kleine Szene hat, oder daran, daß der linke Super Battle Droid eine seltene Variante ist, oder daran, daß sämtliche 2003 erschienenen Jedi-Ritter dort stehen, obwohl das natürlich auch eine Rolle spielt -
sondern daran, daß diese Szene hübsch aussieht, fantasievolle und schön gearbeitete Figuren als Teil einer weithin bekannten und umfangreichen Geschichte. Ich freue mich an der dreidimensionalen Umsetzung eines Leinwandabenteuers, an den kleinen Details in den Charakteren, an den Stories, die sich in meiner Phantasie entfalten. Mehr nicht.

Vielleicht (hoffentlich) täusche ich mich ja, aber ich habe den Eindruck, daß einigen Sammlern diese Freude am Produkt abhanden gekommen ist. Zwischen Variantenlisten und mint-Labels scheint die Figur oder das Fahrzeug inzwischen unwichtig geworden zu sein, wird gar nicht mehr aus der Packung genommen oder gar bespielt. Wo bleibt da der Spaß? Mit der Verbissenheit des Buchhalters wird da auf Teufel komm raus gesammelt, bis eine Reihe vollständig ist und licht- und staubgeschützt versiegelt im Keller landet. Wen nimmt es Wunder, daß Sammler eines solches Hobbys überdrüssig werden.

Wenn die Figuren essentiell wertlos sind - wo liegt dann ihr Wert, wenn nicht in dem Reichtum, den sie unserer Imagination bescheren, oder in den Erinnerungen, die sie erwecken?

Ich habe als Kind (noch ehe ich Star Wars im Kino erleben durfte) mit dem Kaufen von Star Wars-Figuren begonnen. Nicht mit dem Sammeln - diese Figuren waren zum Spielen da! Mit ihnen habe ich Geschichten erzählt und lange vor Timothy Zahn die Saga weitergeführt, habe das Universum expandiert und Planet um Planet hinzugefügt... und wen störte es, wenn es da mehrere Luke Skywalkers gab oder der originale Darth Vader geläutert und gestorben war, dann wurde eben ein Paralleluniversum hinzugedichtet, in dem das Imperium siegreich war, oder die doppelte Figur entpuppte sich als verlorener Zwilling, oder sie erhielt einen neuen Namen und eine Filzstiftfrisur.

Da wurden Köpfe abgetrennt, daß es eine Lust war, und durch Aliententakel aus Fimo ersetzt; Wohnzimmer wurden zu Dschungelwelten und Betten zu Eisgebirgen. Von allen meinen Spielsachen waren dies nicht die teuersten - aber die wertvollsten. Und sieht man mal von einigen geretteten Kisten Legosteinen ab, sind die Vintage-Figuren die einzigen Spielsachen, die ich von damals noch besitze.

Ich weiß, warum ich Star Wars-Spielsachen sammele.

Jeder wird irgendwann mal älter, zu alt für Spielsachen (jedenfalls dieser Art ;-). Ich hätte nach zehn Jahren der Abstinenz wohl auch nicht wieder mit dem Sammeln angefangen. Die ersten Figuren der PotF-Reihe waren nur wieder dieselben Charaktere, noch dazu mit übertriebener Muskulatur, und auch der R2D2, der endlich mit drei Beinen daherkam, konnte mich nicht dazu überreden. Aber dann kamen die ersten Neuheiten: Expanded Universe, Special Edition, und endlich beschenkte uns Hasbro mit guten, detaillierten Modellen der Hauptfiguren und den zahllosen Nebencharakteren, die ich eigentlich vor zwanzig Jahren haben wollte. Und irgendwann habe ich dann doch wieder angefangen...

"Wäre es nicht cool, wenn es Ephant Mon als Figur gäbe?"

Ephant Mon steht heute bei mir im Regal. Ebenso wie zahllose andere Figuren, die die Vintage-Serie abgelöst haben: Erinnerungen an wilde Spiele und wüste Geschichten einerseits, liebevolle Modelle einer prägenden Filmreihe andererseits. Und das ist der wahre Wert dieser Sammlung: ein Schatz der Phantasie für mich und ganze Generationen anderer damaliger und heutiger Kinder.

In diesem Sinne kommen mir die Klagen der Komplettsammler wie aus der Perspektive gerückt vor. (Ich bin sicher, die Sammler werden mir jetzt erzählen, daß ich den Geist des Sammelns nicht verstanden habe; das will ich denn auch ehrlich zugeben und andere beurteilen lassen, was für sie wichtig ist.)

Die (neuen) Figuren sind zu teuer? Ja, das ist wahr; der hiesige Markt ist klein, und der Import macht die Figuren nicht billiger. Todd McFarlane hat vorgemacht, wie man große, eindrucksvolle, detaillierte Figuren mit umfangreicher Artikulation zu verhältnismäßig niedrigen Preisen produzieren kann - seine Alien-Königin ist ein Schmuckstück meiner Vitrine. Schade, daß die Star Wars-Figuren nicht dasselbe Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Aber solange der deutsche Markt nicht höhere Stückzahlen abnimmt, wird das wohl Illusion bleiben. Die allgemeine Enttäuschung über Episode I und die Desillusionierung des Merchandising haben der Marke Star Wars hierzulande wohl heftig geschadet.

Die Börsen werden nicht mehr besucht, und alle Händler bieten dasselbe zum selben Preis an? Das eine hängt wohl mit dem anderen zusammen. Ich besuche auch keine Börsen mehr; ich kann dieselbe Ware übers Internet vom Händler meines Vertrauens ordern, wenn alle Börsendealer nur die neuesten Reihen anbieten. Wenn es um Neuware geht, hat die Börse ihren Sinn verloren. Und wirklich noch gesuchte Stücke sind selten und relativ teuer. Wenn mir ein Händler ein altes Twin Pod Cloud Car zum Mint-Katalogpreis anbietet, die Ware aber verstaubt, dreckig und ohne Aufkleber ist, kann ich nur dankend abwinken und darauf warten, daß Hasbro das Fahrzeug neu auflegt.

Alte Figuren verlieren ihren Wert, anstatt sich im Wert zu steigern? Ich sehe darin eher eine Wertberichtigung - eine chinagefertigte Plastikfigur bleibt eine chinagefertigte Plastikfigur. Hasbros Neuauflagen mögen dazu beitragen, die Preise zu drücken, sind aber aus meiner Sicht positiv, weil sie mir die Gelegenheit geben, ältere Figuren und Fahrzeuge zu einem vernünftigen Preis nachzukaufen.

Es gibt zu viele neue Figuren? Was für ein abstruses Argument! Viele Figuren, viele neue Ideen und Reihen, bedeuten eine große Auswahl. Niemand zwingt mich, alles zu kaufen. Niemand steht mit der Peitsche hinter mir und erwartet, daß ich brav die Regale leerfege. Ich bin überhaupt nicht böse, daß Hasbro so vielfältig produziert: ich kann mir das Beste aussuchen. Jetzt ist die Zeit, da alle Nebencharaktere herauskommen, die die Filme erst so reichhaltig gemacht haben. Wenn ich diese oder jene Hauptfigur nicht noch einmal benötige, kann ich sie einfach auslassen. Neuauflagen oder geringfügige Varianten muß ich nicht unbedingt haben, und mein Leben wird auch nicht ärmer ohne silbernen Exklusiv-Darth Vader.

Sammler geben ihr Hobby auf? Es ist schade drum: zwischen anderen Interessen, relativ hohen Preisen und neuen Prequel-Filmen, die die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten, ist das Interesse in der Tat gesunken. Selbst einem kulturellen Phänomen wie Star Wars dürfte es schwer fallen, das Interesse abtrünniger Ex-Fans neu zu erwecken. Aber totreden und in der eigenen Frustration ersticken läßt sich ein Vierteljahrhundert Star Wars auch nicht: ehe nicht der letzte Film über die Leinwand geflimmert ist, werde ich jedenfalls keinen Schlußstrich unter meine Star Wars-Vergangenheit ziehen.

Ich sehe ehrlich gesagt keinen Grund, ausgerechnet jetzt alles hinzuwerfen, Luke Skywalker adieu zu sagen, und den Sammlern lemminggleich auf eBay zu folgen, um meine Figuren zu verscherbeln. Selbst wenn es hin und wieder Grund zur Frustration gibt, ist dies nicht vielmehr eine Chance, seine eigene Haltung zur Sammlung und zum Sammeln neu zu bewerten?

Warum sammle ich? Was bedeutet mir Star Wars? Muß ich alles haben, oder kaufe ich nur noch das, was mir gefällt?

Jeder Sammler sollte nur das kaufen, was er selbst gut und - im Wortsinne - preiswert findet; was ihm Freude bereitet und was er auch in einigen Jahren noch ansehen mag, ohne das Gefühl zu haben, dafür sein Geld vergeudet zu haben. Nur dann macht für mich Sammeln Sinn: wenn das gesammelte Objekt für mich selbst einen Wert jenseits des Finanziellen hat, wenn eine echte Bedeutung dahintersteckt.

Vielleicht kommt der eine oder andere dann zu der Erkenntnis, daß ihm Star Wars nichts mehr sagt - dann kann er nur noch Abschied nehmen. Vielleicht gelangt er aber auch zu der Einsicht, daß Star Wars mehr ist als die Jagd nach "seltenen" Figürchen oder die Preiseinträge in dickleibigen Sammelwerken, und daß er dieses Mehr eigentlich noch nicht missen möchte.

Ich weiß, daß irgendwann jenseits von Episode 3 für mich die Zeit kommen wird, wo Star Wars nicht länger aktuell ist, wo das Merchandise abnimmt und Bücher und Comics sich nicht länger verkaufen, wo (zum zweiten Mal) Star Wars in den watteweichen Wolken meiner Nostalgie verschwindet. Aber ich weiß auch, daß selbst dann meine Sammlung mehr sein wird als ein Haufen dummer Plastikfigürchen, die es auf eBay zu verscherbeln gilt, denn ich habe nicht vergessen, was Star Wars für mich bedeutet.

Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muß noch ein Wampa auspacken.

Cairyn / Ronald W. Klemp

 
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